Verlorenes Rad am Schülerbus

Der Hersteller ist meist sehr darauf bedacht, dass der Käufer seiner Autos sicher im Straßenverkehr unterwegs ist. Leider gehen manche Fahrer oft fahrlässig mit den Anweisungen in der Bedienungsanleitung um. Dort steht der einfache Satz: Festziehen der Radmuttern mit einem bestimmten Drehmoment und Kontrolle nach ca. 50 km. Nun sehen Sie, was passiert, wenn diese Vorschrift nicht eingehalten wird. Ein Schulbus verlor unvorschriftsmäßig sein hinteres linkes Rad auf der Heimfahrt von der Schule. Zufällig kam ich dazu, als es gerade passiert sein musste. Die Polizei stieg gerade aus ihrem Streifenwagen und ging Kopf schüttelnd auf den ungläubig dreinschauenden Busfahrer zu, der seine Hinterachse betrachtete.

Also folgte ich seinem Blick und sah sofort, dass die Gewinde der Radbolzen abgearbeitet waren. Die Zentrier- und Motangehilfe unter dem Bolzen war Rost frei, da von der ablaufenden Felge spanabhebend bearbeitet. Das bedeutete, dass die Radmuttern lose waren. Meine Andeutung in dieser Hinsicht wurde aber vom Fahrer und Besitzer der Buslinie weit sich gewiesen. Er habe nach dem letzten Radwechsel persönlich die Radmuttern angebracht und mit dem vorgeschriebenen Drehmoment mittels eines Radmutternschlüssels und einer 1m Verlängerung angezogen und zwar auf beiden Seiten.

Nach Begutachtung der Bohrungen in der Felge stand zweifelsfrei fest, dass die Befestigung nicht fest genug war. Sie waren oval in Antriebsrichtung ausgeformt. So stützten sich die Kräfte der Antriebsräder aufgrund des fehlenden Drehmomentes nicht mehr an der Nabe ab, sondern auf den Bolzen. Die Gewindegänge wurden durch die Felgenbohrungen abgerieben und somit das Spiel langsam und stetig erhöht. Bei jeder Umdrehung wurden somit die Radmuttern durch die verkanteten und wandernden Felgen  mittels Reibungskraft abgedreht, bis auch die letzte von ihnen mangels Haltung aufgab. Die Herren der Polizei bemerkten, dass sie mit einem bekennenden Techniker sprachen und fragten mich, wie man herausfinden könne, ob die Aussage des Fahrers zutreffe. Auf die Frage, wie hoch denn das Drehmoment gewesen sei, mit dem er die Radmuttern festgezogen hätte, kam von ihm keine konkrete Antwort. Also war die oben erwähnte Methode eine reine Schätzvariante. Mein Vorgehen in solchen Sachen ist eine Vergleichsmessung auf der anderen, ebenfalls vom Fahrer behandelten  Seite.

Also holte ich auf Geheiß der Ordnungshüter einen Drehmomentschlüssel und ging auf die rechte Seite. Es bot sich dieses Bild: 5 Schrauben zeigten Rostspuren, die aus der Verschraubung kommend nach außen wiesen.

Das kommt daher, dass sich Wasser unter der losen Verbindung sammelt und dann bei der Fahrt als Rostwasser herausgeschleudert wird. Wenn ich so etwas erkenne, schrillen bei mir alle Alarmglocken.

Aus der Nähe betrachtet erkennt man den Halbmond förmigen Abdruck der Anpressscheibe unter der Radmutter und somit ist auch die ca. 6 mm Wanderung der Felge auf der Nabe zu erkennen. Diese Bewegung zerstört die Gewindegänge auf den Radbolzen.

Aus der Erfahrung heraus wusste ich, dass der Wert für die Befestigung der Muttern um die 400 Nm lag. Also stellte ich den Drehmomentschlüssel auf 200 Nm und testete alle 10 Muttern. 5 Muttern gaben bereitwillig nach und ließen sich bewegen. Dann stellte ich die 400 Nm ein und wiederholte das Ganze nochmal. Dabei konnten die Muttern unter Zeugen zwischen 30 und 90 Grad nachgezogen werden. Somit war bewiesen, dass die Muttern weder mit dem korrekten Drehmoment angezogen noch nachkontrolliert worden waren. Diese Tatsache konnte dann auf Grund der Spuren mit ruhigem Gewissen auf die andere Seite übertragen werden. Ein Abschleppwagen wurde gerufen. Der Fahrer und Halter des Linienbusses bekam die Auflage, alle Bolzen zu wechseln und sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bei der zuständigen Inspektion zu melden, um auf seine Angaben nochmals befragt zu werden. Auf eine Zeugenaussage meinerseits wurde verzichtet, da die beiden Polizisten alles hautnah miterlebt und dokumentiert hatten.

 

Merke: Die Angaben in der Bedienungsanleitung sind vom Hersteller wohlbedacht gewählt worden. Werden sie vernachlässigt oder nachweislich nicht eingehalten, so ist die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges in Gefahr. Und das vergessen manche Fahrer. Die beschriebenen Anzeichen neben den Radmuttern sollten aber gewissenhaft beachtet und gedeutet werden. Die Räder auf der linken Seite sind hier mehr gefährdet als die auf der rechten Seite, da die Bewegung der Felge in Aufdrehrichtung der Mutter wirkt. Rechts bewirkt diese Bewegung eher ein Andrehmoment, wie an diesem Bus wieder bewiesen. Aber aufgemerkt, sie brauchen nur länger, um verloren zu gehen. Die Span abhebende Bearbeitung findet trotzdem statt.

Aus meiner attraktiven, nein, aktiven Zeit beim Bund, hier zwei Beispiele für verlorene Räder. Wie oft das im öffentlichen zivilen Verkehr vorkommt, kann ich nicht sagen, aber die Relikte der Räder und Reifen am Straßenrand sprechen für sich, wenn man sie erkennen mag.

Bei diesem Beispiel waren die Radbolzen über die Hälfte abgerieben, bevor sie der Reihe nach abbrachen. Das Rad rollte nach Verlassen des Lkw über alle vier Fahrspuren der Autobahn ohne ein Fahrzeug zu treffen. Welch ein Glück! Aber sehen Sie selbst!

Radverlust am Lkw
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