Prüfungsfahrzeug Sattelzug CE

Es ist zwar schon etwas länger her, aber diese Komposition darf ich Ihnen nicht vorenthalten. Eigentlich hätte das unten beschriebene Fahrzeug als Musterbeispiel für die Untersuchung nach StVZO § 29, also Hauptuntersuchung (HU) oder Sicherheitsprüfung (SP) an eine Akademie für die Ausbildung der amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer übergeben werden müssen. An ihm kann eindrucksvoll dargestellt werden, was man alles so erkennen könnte, wenn man richtig gucken möchte. Also wieder mal auf einen längeren Artikel einstellen. Ich will Sie diesmal überhaupt nicht beeinflussen, sondern werde Ihnen die Bilder zeigen und als sachverständiger Techniker erläutern. Zum Schluss entscheiden Sie dann völlig unvoreingenommen, wer die bestehenden Mängel zu verantworten hat.

Zuerst die Gesamtansicht von hinten. Man erkennt, der Sattelanhänger war früher ein Tankfahrzeug. Ihm wurde eine Achse amputiert, um es leichter werden zu lassen, damit es sich besser rangieren lässt und Sprit gespart wird. Es ist dem Auflieger kaum anzusehen, dass er bereits 30 Jahre auf dem Blech hat. Die Farbe ist natürlich jünger. Ich lade Sie auf einen Rundgang um und unter das Fahrzeug ein, das etwa 3 Monate vorher bei der SP in der Lkw-Werkstatt war, die es auch immer zur HU herrichtet.

Beginnen wir mit dem Rahmen. Hier sind die vielen Jahre doch zu bemerken, da können auch mehrere Farbschichten nicht darüber hinweg täuschen.

 

An einigen Stellen kann man Löcher erkennen, die teils durch den Hersteller (kreisrund), teils durch den Rost (unregelmäßig) verursacht wurden und man kann durch das Blech hindurch bereits den Boden erkennen. Es handelt sich lediglich um den hinteren Querträger, also kein wichtiges Teil, dem die Befestigung der Achsanbindung an den Rahmen im Bereich der Schweißnaht fehlt.

Da der Rahmen unten geschlossen ist, verliert der Anhänger auch keine abblätternden Roststücke und ist somit umweltfreundlich gebaut. Rechnet man aber die aufgefangenen Rostplatten zusammen, kann eigentlich vom Rahmen her nicht mehr viel vorhanden sein.

Nicht erschrecken, das hat ja schießlich Jahre gehalten. Teile des Rahmens müssen nicht alle aus Stahl sein, genügend Farbeauftrag reicht vermutlich auch aus. Oder waren hier die aufgenommenen Bremskräfte größer als die Widerstandskräfte, die den Rahmen verwunden haben?

Die Bremse verrät, dass ihr Zustand kaum an der Wartung gelegen haben kann; denn davon hatte der Anhänger keine. Ein kurzer Blick auf die Bremswelle zeigt, dass die darin befindliche Fettpackung Erstausrüsterherkunft hat, weil sie vermutlich noch von ihm stammt.

Zur besseren Erkennbarkeit habe ich den Schmiernippel gekennzeichnet, sonst hätten Sie ihn wahrscheinlich kaum gesehen. Er hat garantiert schon jahrelang das Gegenstück der Fettpresse, das ihn füttert, nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Auch die Lagerungen der Bremsstangen in den Bremshebeln vermissen eine leichte Schmierung über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinweg.

 

 

Die Nachstellung der Bremsen muss derart schwergängig gewesen sein, dass sie nicht mehr durchgeführt wurde. Das erklärt auch den Hebelweg von ca. 8 cm, Sollwert: max. 3 cm. Überprüft man die Höhe der Membranbremszylinder, so stellt man fest, dass die wirksame Ausfahrlänge etwa 8,2 cm beträgt. Für einen Kenner dieser Verhältnisse heißt das, die Bremsbeläge werden nur noch zaghaft an die Bremstrommeln angelegt, quasi gestreichelt. Von einer Bremsung kann kaum mehr die Rede sein, von einem schnellen Anlegen schon gar nicht.

Verfolgt man das Handbremsseil von der Betätigungstraverse in Richtung Handbremshebel, so erkennt man an der Umlenkrolle, dass bei gelöster Bremse zwischen Ende des Doppelseiles und dem Gehäuse ca. 4 cm Luft sind. Wird die Handbremse betätigt, ist nach etwa 6 cm Schluss mit Feststellen der Bremse. Das verfranzte Ende spreizt sich ich den Halter, wie leicht zu erkennen ist. Fazit bei 8 cm benötigtem Hebelweg? Uiuiui! Keine Feststellbremswirkung spürbar! Gut, dass genügend Keile an Bord sind.

Die nächste Umlenkrolle des Feststellbremsseiles war „festgeschmiert“, wie ich immer zu sagen pflege, sie dreht sich halt nicht mehr, auch wenn man per Hand Gewalt anwenden will. Die aufgequollenen Rostschichten verhindern das konsequent.

An den rostigen Stellen am Seil sieht man, dass dieses auf der starren Rolle hin und her geschoben wird. Dabei ist es so starr, dass es links am Gehäuse der Rolle Schleifspuren hinterlässt.

Weiter geht es in Richtung Handbremshebel. Das Drahtseil schleift bei jeder Betätigung über den Rahmen. Das kommt daher, dass dessen Verlegung durch die entfallene 1. Achse geändert wurde. Es verläuft zwar durch dieselbe Umlenkrolle an der zweiten Achse, aber der Abstand zum Rahmen hat sich dadurch verringert. Bisher hat das noch keinen gestört. Es dauert ja schließlich Jahre, bis so ein starkes Metallseil durchgescheuert ist.

 

Nun das bekannte Zuordnungsspiel. Wer ist verantwortlich für die Abstellung? Bitte setzen Sie Ihre Kreuze!

 

O Fahrer

O Halter

O Prüfer

O Werkstatt

O keiner

 

Wie gesagt, Mehrfachnennungen sind möglich. Wer hat die Abstellung der Mängel veranlasst? Meine Vorgabe zur Lösung:

 

O Fahrer

O Halter

O Prüfer

O Werkstatt

X Zimmermann

 

Sie werden sich hoffentlich nicht wundern, dass ich mit diesem Fahrzeug keine Prüfung gefahren bin. Ich habe zwei andere C-Prüfungen vorgezogen, um den Verantwortlichen in der Werkstatt, die gleich um die Ecke war, die Zeit zu notdürftigen Reparaturen an der Bremse zu geben. Dem Fahrschüler wollte ich keine Nachteile entstehen lassen. Sie können mir aber glauben, dass die Gespräche, die ich mit dem Fahrlehrer, dem Fahrschulbesitzer und dem Werkstattleiter geführt habe, sehr einseitig waren. Der Fahrschulleiter war sogar sofort bereit, die Schäden auf seine Kosten reparieren zu lassen, nachdem ich ihm andeutete, dass das Gerät nach der Prüfung durch den Leiter der TÜV-Prüfstelle gesperrt werden würde.

So, das war der Auflieger. Sehen wir uns einmal das Fahrzeug an, wo er aufliegt. Sie vermuten nichts Gutes, und Sie haben Recht. Nicht nur, dass die Zugmaschine auch schon 30 Jahre alt war, sie hatte auch die dementsprechende Technik an Bord. Für mich kein Thema, denn daran hatte ich damals meine Mechanikerlehre gemacht. Für die ehemaligen Fahrschüler schon eher ein Problem, da sie sämtliche neuen Errungenschaften der Technik an dem Gerät, das der Arbeitgeber zur Verfügung stellt, nachlernen müssen.

Unter der Sattelplatte erkannte ich einen Haufen dunkler Masse. Nein, das waren keine Hinterlassenschaften eines Marders, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, nein, das war ein Fettgebirge von etwa 12 cm Höhe. Ursprung des Nachschubes war eine gerissene Kunststoffleitung, die eigentlich den Schließmechanismus der Kupplung automatisch mit Fett versorgen sollte. So ist halt ein Schließmuskel draus geworden, vom äußeren Eindruck zumindest. Von der Fettmenge her muss man etwa ein halbes bis ein Jahr unbemerkten Austretens ansetzen, je nach Häufigkeit des Einsatzes. Das hat aber auch den Fahrlehrer nicht wesentlich verunsichert, als ich ihn fragte, warum das Fett denn nicht zumindest regelmäßig entfernt würde, wenn es sich schon regelmäßig anhäuft.

Der Blick auf die Stoßdämpfer gab mir dann noch den letzten Anstoß, um beide Teilfahrzeuge des Zuges zu sperren. Die Spuren zeigten sehr deutlich, dass hier noch der Erstausrüster seine Spuren hinterlassen hat. Links war vermutlich kein Öl mehr im Dämpfer, da es sich ja schließlich gleichmäßig auf die Außenfläche verteilt hatte.

Es ist zu vermuten, dass weitere Teile des Schutzrohres des rechten Stoßdämpfers demnächst über den Verkehrsfunk wieder gefunden werden können.

Zusammenfassend müsste Ihre Meinung mit meiner übereinstimmen, ohne Sie irgendwie gängeln zu wollen: Sperrung für Ausbildung und Prüfung. Dies wurde auch durch den Leiter der Prüfstelle ohne eine weitere Nachfrage so bestimmt. Allerdings stellte er den anderen Mitprüfern die peinliche Frage, warum denn dieser Sachverhalt nicht schon lange gemeldet worden sei, da solche  Mängel nicht unbedingt seit der letzten Prüfung entstanden sein könnten. Betretenes Schweigen und der schwache Versuch einer Erklärung durch einen Betroffenen: "Aber die Fahrzeuge hatten doch gültigen TÜV und SP! Und warum soll ich dem Kollegen misstrauen?"

 

Ach so, ich sollte vielleicht die Höhe der Rechnung noch bekannt geben, denn der Fahrschulleiter hatte sie mir beim nächsten Prüftermin sinngemäß etwa so vorgehalten: „Dieses Jahr kann ich mir meinen 4 Wochen Urlaub auf meinem Boot im Mittelmeer in die Haare schmieren, das wären nämlich die 5000 Euro gewesen, was Sie mich gekostet haben!“ Okay, ich habe auf diese Aussage hin vermutlich versäumt, entsprechende Betroffenheit zu heucheln.