Ein Pärchen geht durch die Natur. Es ist Frühling. Alles wird grün, die ersten Blüten brechen gerade auf.

„Ach, sieh doch!“ flötet sie ganz entzückt, „Wie die Natur erwacht. Ist das nicht ein Wunder, wie alles nach dem Winter wieder zum Leben erwacht?“

„Ach was, Wunder!“ antwortet er mürrisch, „Das ist seit Millionen von Jahren so. Das nennt man Evolution!“

„Ja, schon, das weiß ich auch.“ Sie will sich ihre romantische Stimmung von diesem Realisten nicht zerstören lassen. „Aber es ist doch wunderbar, dass die Geschöpfe der Natur immer genau wissen, wann sie sprießen und blühen sollen.“

„Ach was, wunderbar. Die wollen auch immer nur das eine: Sich so schnell wie möglich vermehren.“ Er konnte ihre Euphorie nicht nachvollziehen, der Sinn des Lebens ist halt mal so.

„Schau doch, die Enten dort im Teich!“ Sie hebt den Arm und zeigt mit dem Zeigefinger auf das im Dorfweiher schwimmende Federvieh. „Sie bleiben sich ein Leben lang treu! Das ist doch beeindruckend, oder?“ Und mit einem Seufzer ergänzt sie: „Das müsste bei uns Menschen genauso sein.“ Ganz verzückt und mit einem Lächeln streichelt sie über die kleine Wölbung, die sich seit kurzem um den Nabel herum bildet.

„Natürlich ist das anerkennenswert.“ Seine Augen gehen gen Himmel. „Aber hast Du gesehen, auch wenn sie sich treu sind, versuchen die anderen Erpel auch zum Zuge zu kommen, wenn er nicht aufpasst? “

„Ach Du, Du kannst aber auch alle Romantik kaputt machen!“ Langsam geht ihr sein ständiges Genörgel auf den Geist. „Hier fühl mal, wie sich das Wunder des Lebens in mir bildet.“ Sie nimmt seine Hand und legt sie auf ihr Bäuchlein.

„Wunder! Wunder!“ Er wird langsam unwirsch. „Ich höre immer nur Wunder! Ja, wenn Du die Pille nicht vergessen und gescheit verhütet hättest, bräuchten wir uns nicht zu wundern, dass Du immer umfangreicher wirst.“

„Was willst Du damit andeuten?“ Sie bleibt stehen, wendet sich ihm zu und sieht ihm direkt in die Augen. „Wärst Du vielleicht auch lieber wieder so ein freier Erpel, der bei anderen zu naschen versucht?“

„Nein, natürlich nicht!“ Er nimmt sie in den Arm und drückt sie ganz zärtlich an sich. „Aber jetzt mit knappen Vierzig hätten wir nicht nochmal mit dem ganzen Zinnober anfangen müssen. Vielleicht kannst Du unsere Tochter fragen, ob ihr euch die Sachen mit dem Enkel teilt, dann müssen wir nicht alles nochmal kaufen. Weil es wird mit Sicherheit kein weiteres mehr geben. Das mit den Wundern außen herum reicht mir völlig aus.“ Feixend fügt er noch hinzu: „Und überhaupt bin ich darauf gespannt, wie Du das Ganze Deiner Tochter beibringen willst. Du hast ja schließlich zu ihr gesagt, sie hätte besser aufpassen sollen, dann wäre sie nicht so früh schwanger geworden, so wie Du damals.“

Sie schlingt ihre Arme um ihn und verschließt vorsichtshalber seinen Mund mit ihren Lippen, damit er denselben endlich hält. Ja, ja, Wunder wären ja was wunderbares, aber man wundert sich, wie viel Arbeit sie doch machen.