Laute ehespezifische Geräusche drangen aus dem eingeschalten Babyphon. Die Kontrollleuchte konnte sich kaum mehr beruhigen und wechselte im Rhythmus der empfangenen Laute zwischen rot und grün. Herbert und Elsa sahen sich vielsagend an und grinsten wissend. So ging es bei ihnen auch mal zur Sache. Aber das ist schon zwei Kinder her. Und seit die Kleine auf der Welt war, beschränkte sich das Liebesleben eigentlich auf gelegentliche flüchtige Küsschen. So richtig beieinander waren sie garantiert seit Ewigkeiten nicht mehr. Das Nesthäkchen forderte die Mutter so sehr, dass sie am Abend froh war, wenn sie fix und fertig das Bett heimsuchen durfte. Das Schlimme an der ganzen Sache war nur, dass sie dieses kleine Miststück auch nachts über die Funkverbindung im Griff hatte, selbst hier im Urlaub. Aber die kleine Abwechslung im Programm, die auf dem Babyphon ablief, brachte sie auf komische Gedanken. Die hatten sie auch vor drei Jahren auf den Malediven und das Ergebnis lag auf der anderen Seite der Funkstrecke. Ihr Großer fuhr schon seit zwei Jahren nicht mehr mit in Urlaub, da er keine Lust hatte, auf den kleinen verzogenen Ausrutscher, wie er seine Schwester immer nannte, ständig aufpassen zu müssen. Denn mit seinen fünfzehn Jahren haben sich seine Interessen bereits auf Mädchen eines Alters verlagert, die bereits deutliche Anzeichen von Erwachsenwerden zeigten.

So, die zwei Minuten waren vorüber und auf der Gegenstelle zwei trat befriedigte Ruhe ein. Auch vom Töchterchen auf Gegenstelle eins war nichts Verdächtiges zu vernehmen. Also drehte sich jeder nach einem Gute Nacht Küsschen auf seine Seite, um in Orpheus Arme zu sinken. Allein für Herbert war die Bauchlage noch nicht praktikabel.

Die Nacht verlief ruhig und ereignislos, wie zuhause halt auch. Die kleine Eva war auch schon wach und kam ins eheliche Bett gehüpft. Nach den erwartungsgemäß erhaltenen Kitzelattacken durch Papa wurde die Nachtwäsche gegen Tagwäsche getauscht und es ging nach den durchgeführten täglichen Fristenarbeiten an Mund und Haaren zum Frühstück.

Am Nachbartisch saß ein Mann, der sie grinsend verfolgte. Elsa konnte sich keinen Reim darauf machen und sah irritiert zur Seite. „Hebbät, hascht gsähe, wie der do dribbe gugge dud? Des is jo scho fast uverschämt, dem soi Grinse.“, flüsterte sie ihm ins Ohr, während sie sich auf ihrem Stuhl niederlies.

„Noi, des hanni nit gsähe, des isch mir au Worscht.“ Damit war das Thema für Herbert erledigt. Er wollte im Urlaub „soi Ruh habbe“. Aber ihr lies es keine Ruhe. Warum grinste der so komisch? Das war doch der Zimmernachbar. Wo ist die Frau, die des nachts beglückt wurde? Und vor allem, wo ist das Kind, für das das Babyphon gebraucht wurde? Elsa verstand die Welt momentan nicht so richtig. Aber egal, jetzt wird erstmal gefrühstückt. Der Tag verlief unspektakulär. Klein Eva wurde bespaßt und war reif für den Mittagsschlaf. Kaum schien sie eingeschlafen zu sein, drangen schon wieder Laute aus dem Babyphon, die keinesfalls klein Eva zugeordnet werden konnten. Gespannt lauschten die beiden. Bei Herbert hatte das Auswirkungen, nicht nur auf die Ohren. Aber die Gegenseite hatte einen guten Lauf und so verebbte das Geräusch nach einer Minute wieder. Herberts Hand lag plötzlich auf Elsas nacktem Oberschenkel und erinnerte sich daran, wie sie früher lustvolle Gefühle erzeugt hatte. Es schien heute mal wieder zu funktionieren. Elsa drängte sich an ihn und wollte scheinbar mehr. Kurz darauf ähnelten die Geräusche im Urlaubsschlafzimmer denen aus dem Phon, wenn auch nicht ganz so zügellos. Nach einem „Sodele, etzetle!“ war der Höhepunkt erreicht und beide lagen eng aneinander gekuschelt auf dem Bett. Sie bekamen die Schutzwäschen gerade noch rechtzeitig hoch, denn in diesem Moment stürmte auch schon Evchen herien und wollte wieder bespaßt werden.

Kurze Zeit später saß man am all inclusive Kaffeetisch und musste das noch aufdringlichere Grinsen des Nachbarn ertragen. Bis es Elsa zu blöd wurde und sie zum Tisch hinüberging und den Grinser zur Rede stellte.

„Siie, saget Se emol, waas grinset Se denn so gscheert?“ Und ohne Aufforderung nahm sie einfach auf dem Stuhl Platz. Herbert war der Angriff seiner Frau sehr unangenehm, was man auch deutlich erkennen konnte, da er sich höchst konzentriert klein Eva widmete.

„Ich freue mich ja nur, dass meine Peepshow Früchte getragen hat.“ Ganz ruhig und mit einem Lächeln kamen diese Worte über dessen Lippen.

„Wie Piepsho? Wollet Se mi verarsche? Wo isch eichentli Ihr Fraule? Habbet Se koi Kinner dabei? Weil mir höret Se allweil ieber unner Beibifon.“

„Nein, ich habe keine Familie dabei. Aber die vorhergehenden Gäste haben ihr Babyphon vergessen und da habe ich ihre Unterhaltung vorgestern mithören können. Sie haben sich dabei über ihr Liebesleben unterhalten und den früheren Spaß dabei, den sie eigentlich und irgendwie doch vermissen. Da habe ich halt über mein Handy ein paar Szenen in mein Babyphon eingespielt. Hat ja scheinbar funktioniert.“ Ein zufriedenes Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit.

„Oi, Sie sennd mer jo oiner!“ Entgegnete Elsa errötend. „Warum habbe Se denn des gmacht?“

„Ja, wissen Sie, ich bin Therapeut und habe mir gedacht, vielleicht kann ich dem gereiften Glück wieder etwas auf die Sprünge helfen." Und mit einem derart breiten Grinsen fuhr er fort, „Aber ab heute ist mein Phon aus, versprochen!“