Vorstellung bei der Lesung der Wortakrobaten

Nun zu euch, werte Anwesende, liebe  Wiederholungstäter, heute mache ich den  ersten Vortragenden in der Reihe. Trotzdem wünsche ich euch allen einen unterhaltsamen Abend.

Wie gerade in meiner Ankündigung angesprochen, war ich einmal der böse Mann hinten rechts im Prüfungsfahrzeug beim Versuch für die Erlangung der Fahrerlaubnisklassen A, B, C, D, E, F, M und T, oder kurz für die Monoführerscheinbesitzer, für alle Landfahrzeuge, die nicht an Schienen gebunden sind. Und wenn ihr euch noch daran erinnern könnt, habe ich damals vom richtigen Leben aus dem Prüfungsfahrzeug berichtet. Das habe ich auch heute wieder vor. Hat jemand etwas dagegen? Nein. Gut.

 

Es ist ja nicht ganz unbekannt, dass mich einige der 18000 Prüf-Erlebnisse zu einem Buch verleitet haben, mit dem Titel: Immerr guggst du!

Ihr fragt euch sicherlich, wie kommt der ausgerechnet auf so einem Titel? Deshalb will ich das kurz erläutern:

 

Es saßen einst ein türkischer Fahrlehrer und sein gleichsprachiger Fahrschüler vor mir. Seit dem Start der Prüfungsfahrt hatte der Schüler bereits dreimal versäumt, den erforderlichen Schulterblick zu machen. Von hinten habe ich gesehen, dass die Halsschlagader des Fahrlehrers bereits die Stärke eines Gartenschlauches angenommen hatte. Bei der nächsten zwingenden Notwendigkeit des Schulterblickes raunte er seinen Fahrschüler an: „Immerr guggst Du!!“ Von dieser Sekunde an war es, als wäre ein Schalter umgelegt und der Fahrschüler guckte wie ein Weltmeister. Ich habe es nicht nur unterlassen, die Äußerung des Fahrlehrers als unzulässige Hilfe zu bewerten, sondern habe diesen kurzen prägnanten Ausspruch in mein tägliches Prüfungsvokabular übernommen. Wenn ich nun gemerkt habe, dass ein Bewerber mit der Ansteuerung der Kopfwendemuskeln Probleme hatte, dann kam von mir dieser Ausspruch. Immerr guggst du! Und ich war jedes Mal über die positiv anhaltende Wirkung bis Prüfungsende überrascht.

 

Achso, habe ich schon erwähnt, dass man das Buch auch kaufen und selber lesen kann? Das bloß einmal so nebenbei.

 

Wie sich jeder Autofahrer daran erinnern kann, wurde der umfangreiche Stoff zum Bestehen der erforderlichen Prüfungen gelehrt und auch überwiegend gelernt. Teilweise sogar verstanden. Aber trotzdem wurde vieles als Erinnerungslücke gespeichert oder  aus Eigennutz einfach ignoriert. Was daraus entstehen kann, vor allem in der Prüfung, will ich hier kurz aufzeigen.

 

Manchmal hätte zum Bestehen der Prüfung schon der gesunde Menschenverstand ausgereicht.

 

Aber wieder zum Wesentlichen, zu den Erlebnissen, ihr wartet ja schon ganz ungeduldig.

Beispiel:

 

Meine Technikaufgabe vor Fahrtbeginn lautet: „Schauen Sie mal nach, ob die Bremslichter funktionieren.“

Prüfling: „Vorne oder hinten?“

 

Verstehen Sie nun, was ich meine, wenn ich befürchte, dass die Menschheit definitiv auf dem besten Wege ist, auszusterben?

 

Nächste Prüfung. Ich steige ins Auto und gebe dem Fahrschüler die Hand. Dabei merke ich, dass diese kaum zu halten ist, weil die vorhandene Oberflächenfeuchtigkeit einer Haftung entgegen spricht. Es entsteht folgendes Gespräch, nachdem ich meine Hand an der Hose abgewischt hatte.

Ich: „Oh, was sind wir heute aber wieder aufgeregt. Passen Sie auf, ich bin ja eigentlich nur hier, um zu sehen, ob Sie sich beim Fahren im öffentlichen Straßenverkehr an das halten, was der Fahrlehrer mit Ihnen geübt hat. Also nichts Neues erfinden, sondern nur das zeigen, was Sie trainiert haben. Okay?“

Fahrschüler stotternd: „Ja, ich weiß das, aber ich habe solche Angst.“

Ich: „Sie haben Angst. Gut, dann kann ich nicht mit Ihnen fahren und die Prüfung ist hiermit beendet. (Ich klappe demonstrativ meine Prüfungsmappe mit den Führerscheinen und Versagerzetteln zu.) Denn, wer Angst hat, der macht Fehler und ich möchte Ihnen ja abschließend den Führerschein geben können.“

Fahrschüler, leicht verwirrt, guckt ungläubig seinen grinsenden Fahrlehrer an: „Äh, ja, aber, äh.“

Ich: „Oder meinten Sie, Sie sind etwas aufgeregt, was ja völlig normal ist, dann können wir die Prüfung durchführen.“

Fahrschüler erleichtert ob dieser Wendung: „Jajajaja, das meinte ich.“

 

Schon ist das Eis gebrochen und der Fahrschüler ist sichtlich ruhiger und etwas Farbe kehrt wieder in das bleiche Gesicht zurück.

 

Jetzt, wo alles verjährt ist, kann Ich Ihnen ja verraten, manche Fahrlehrer halten sich für hochspezialisierte Verkehrspädagogen.

 

Beweis:

 

Bei der Vorstellung merke ich, dass die Fahrschülerin heftigst nervös ist. Bevor ich mein Beruhigungsprogramm einleiten kann, beginnt der Fahrlehrer bereits mit seiner Therapie:

„Also, denk dran, was wir versprochen haben. Mach es ganz einfach so wie ich früher. Stell dir den Prüfer nackig vor und dann bist du auch nicht mehr nervös.“

Dadadas schreit förmlich nach einem Kommentar meinerseits, der auch nicht lange auf sich warten lässt: „Werter Herr Fahrlehrer, Sie sollen dafür sorgen, dass sich ihre Fahrschülerin beruhigt und nicht, dass sie erregt wird.“

Was gibt es denn da zu lachen. Das ist schließlich 30 Jahre her. Ich weiß zwar bis heute nicht, warum die Fahrschülerin auch lachen musste, aber alles lief gut.

 

Oder:

 

Die Fahrlehrerin, Mitte 20 war sie, will die Ablenkungstaktik anwenden, damit die Fahrschülerin nicht merkt, dass sie beobachtet wird. Und wenn man öfter zusammen fährt, werden die Gespräche auch mal intimer. Sie meinte, mit tiefer Sorge in der Stimme: „Ich glaube, bei mir beginnt die Quaterlifecrisis. Heute früh habe ich das erste weiße Haar entdeckt.“

Da mischt sich die 17 jährige Fahrschülerin mit besorgtem Ton in der Stimme ein: „Hoffentlich nicht am Kopf.“

 

Nach vielen kleinen Fahrfehlern, die sich mittlerweile angesammelt hatten und nach wenigen Sekunden zum Abbruch geführt hätten, kreuzte der Fahrlehrer demonstrativ seine Arme vor der Brust, wandte seinen Kopf nach links und fragte gespielt gelangweilt seine Fahrschülerin so nebenbei: „Sagen Sie `mal, wer sind Sie denn überhaupt?“.

Fahrschülerin, schnippisch, den Kopf nach rechts wendend: „Aber Du kennst mich doch, Du hast mich doch ausgebildet!“

Fahrlehrer, sehr bedauernd: „Nein, so was habe ich nicht ausgebildet.“

Vermutlich hat er mir meine Entscheidung angesehen und diese schon mal angedeutet.

 

 

In meinem früheren Leben, als ich noch attraktiv war, äh, als ich noch aktiv war, war ich ja mal bei der Bundeswehr. Man sieht es mir heute nicht mehr an und es ist auch nix nix zurück geblieben. Wollen Sie von dort mal eine Geschichte hören? Gut.

 

Wir sind also mit einem Transpiranten, Tschuldigung, Aspiranten im Tarnlook auf dem Truppenübungsplatz im Wald unterwegs. Dazu muss ergänzend erwähnt werden, dass die älteren Lkws noch nicht mit synchronisiertem Getriebe ausgestattet waren und zum Schalten Zwischengas gegeben werden musste. Dies bedeutete, wenn die Drehzahl zum Schalten nicht passte, krachte es im Getriebe. Deshalb hat sich damals das geflügelte Wort hartnäckig gehalten: Ein Soldat schaltet wie er spricht, laut und deutlich.

Wir nähern uns also einem Holzstapel, vor dem ein Fahrschul-Lkw steht und zwei Fahrschüler mit dem Aufladen von Holzscheiten beschäftigt sind. Ich lasse unseren Lkw neben dem Fahrlehrer anhalten und öffne das Seitenfenster. Der Oberfeldwebel erkennt mich, haut die Hacken zusammen und meldet mir: „Herr Hauptmann, Oberfeldwebel Schmid bei der Durchführung von erzieherischen Maßnahmen.“ Dann zu seinen Fahrschülern gewandt brüllt er: „Und wenn das mit dem Zwischengas wieder nicht klappt, dann wird nochmal aufgeladen. Abladen!“

Bei der Weiterfahrt erklärt mir mein Fahrlehrer, dass Schmid den Auftrag vom Chef hat, Holz fürs abendliche Abschlusslagerfeuer zu besorgen. Und zack, tritt bei mir eine spontane  Lokalamnesie ein. Ich freue mich schließlich auch schon auf mein Steak nach Prüfungsende.

 

So, das muss für heute reichen, sonst lohnt es sich für euch gar nicht mehr, mein Buch zu kaufen.

Dann bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Immerr guggst du! Oder: Der Führerschein hätte auch bestanden werden können. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, die ihr an mich verschwendet habt.