Weihnachtsfeier mit Opa

Hallo Leute! Ihr glaubt nicht, was mir an Weihnachten passiert ist, als ich so um die 10 Jahre alt war.

 

Wir waren bei Oma und Opa zu Gast, wie jedes Jahr. Opa ist jetzt schon ganz schön alt. Mama sagt, er sei über achtzig. Auch hört er etwas schwer und hat deshalb ein Hörgerät. Aber nicht so ein modernes, das man kaum sieht, sondern ein altes, das so groß ist, wie drei meiner Bauklötze zusammen. Er hat das silberglänzende Teil immer oben in seiner Hemdtasche stecken. Von dort aus geht ein weißes Kabel bis zu seinem Ohr und verschwindet in einem kleinen Lautsprecher, der von außen zu sehen ist. Und wenn er dann bei einer Unterhaltung so teilnahmslos herumsitzt, ruft ihm Oma, die ein paar Jahre jünger ist als er, immer laut zu: „Vattä, mach dein Hörgerät widdä an!“ Opa guckt dann etwas genervt in ihre Richtung. Oma legt dann stets Daumen und Zeigefinger aufeinander und macht so eine Drehbewegung. Daraufhin greift er mit dem rechten Zeigefinger an die Brusttasche und dreht an dem kleinen Rädchen, das da oben aus dem Batteriekasten rausschaut. „Naa, biste nu zufriedn, Muttä?“ gibt er dann mürrisch zurück.

 

Wir sitzen also alle am Heiligen Abend bei Tisch und essen brav unsere Würstchen mit Kartoffelsalat. Opa mag die Würstchen nicht so, da sich die harte Wursthaut immer so unter sein Gebiss schiebt und ihm das unangenehm ist. Er nimmt es dann kurz heraus, zuzelt es hinter vorgehaltener Hand ab und schiebt es dann wieder den Mund zurück. Oma gefällt dann gar nicht. Sie schaut ihn dann mit einem strafenden Blick an, stupst ihn in die Seite und sagt gedämpft zu ihm: „Vattä, lass die Zähne drin!“

 

„Wo ist die Kleene hin?“ will Opa wissen und guckt Oma fragend an.

„Ach, was du widdä hörst!“ antwortet sie, immer noch ziemlich leise. „Lass dein Gebiss in Ruh.“

„Was is mit der Kuh?“ Opa schüttelt den Kopf, er versteht die Zusammenhänge nicht mehr. „Was willste denn nu?“

Oma wird es nun zu blöd und wird etwas lauter, so dass es nun alle mitbekommen. „Du sollst dein Gebiss im Mund lassen!“

„Wohin soll ich den Hund fassen?“ Völliges Unverständnis schlägt Oma entgegen. Wir anderen sehen uns mittlerweile amüsiert an und kichern schon ganz leise. Nur meine kleine drei jährige Schwester guckt gebannt zwischen den beiden hin und her.

„Mein Gott!“ Oma ist am Verzweifeln, „Wenn dich drunter etwas stört, dann geh halt ins Bad und mach es dort sauber!“

„Wer hat gehört,  das Bad wär sauber?“

Oma verdreht die Augen. „Du sollst ins Bad gehen und das Ganze dort säubern, hab ich nur gemeint.“

„Wer war zu dir gemein?“

„Keiner!“ „Welcher Reiner, kenn ich den?“

„Ich geb auf.“ Oma lässt die Schultern sinken.

Opa drückt nochmal kurz auf seine untere Kauleiste und macht sich über den Rest in seinem Teller her, als wär nichts geschehen. Nachdem alle satt sind, kommt der schönste Teil des Abends, die Geschenke. Papa ist mal wieder nicht dabei, als wir alle in der Küche aufs Christkind warten. Erst als das Glöckchen geläutet hat und wir im Wohnzimmer vor dem schönen Weihnachtsbaum stehen, ist er plötzlich wieder hinter uns.

„Ach, hat das Christkind den Baum nicht schön geschmückt?“ stößt Mama völlig verzückt aus.

„Welches Kind hat den Baum verrückt?“ will Opa wissen.

„Das wird immer schlimmer mit seinen Ohren.“ Sagt Oma so halblaut vor sich hin und schüttelt den Kopf.

„Was hast du verloren, Muttä?“ ruft Opa in ihre Richtung. Aber die Frage geht im Geräusch der allgemeinen Freude unter.

So, alle sind mit dem Auspacken der Geschenke beschäftigt. Ich bin als erster fertig und streiche gelangweilt durchs Zimmer. Da entdecke ich in einer Steckdose ein Ladegerät, in dem die Batterien noch drin sind. Da die roten Kontrolllampen aus sind, weiß ich, dass die Akkus voll sein müssten. Ich nehme das Gerät heraus und gehe zu Opa.

Leise frage ich ihn: „Schau mal, Opa, brauchst du die? Sie sind wieder voll.“ Ganz verstohlen sieht der sich um. Aber keiner merkt auf uns.

Schnell nimmt Opa die Batterien heraus, legt das Ladegerät beiseite und nimmt den silbrigen Behälter aus der Hemdtasche. Geschickt öffnet er den Deckel und lässt die Batterie darin verschwinden. Er klappt den Deckel zu und zack ist das Teil wieder an seinem alten Ort. Verwundert gucke ich ihn an. Das Gerät war ja die ganze Zeit ohne Funktion, weil die Batterien draußen waren.

Oma sagt gerade zu meinen Eltern, als sie verzückt meiner kleinen Schwester beim Spielen zusehen: „Ich glaube, der Opa braucht bald ein neues Gerät für seine alten Ohren. Das alte Mistding taugt nix mehr.“

„Wer holt den ganzen Mist hierher?“ will der Opa jetzt wissen.

„Seht ihr, was ich meine.“ Und Oma schaut ganz mitleidig in seine Richtung. „Du brauchst was Neues für die Ohren!“ ruft sie ihm dann laut zu.

„Wer ist neugeboren?“ gibt der Opa zurück. Die anderen wenden sich wieder ab. Da zwinkert er mir flüsternd zu: „Du verrätst mich aber nicht, mein Junge, gell. So hab ich wenigstens meine Ruhe und muss nicht gleich springen, wenn die Oma etwas sagt. Eigentlich brauche ich gar kein Hörgerät.“ Dann legt er den Arm um mich und drückt mich ganz lieb an sich.