Nachts am Zebrastreifen

 

Gestern Abend (16. Jan., 19:30 Uhr) wurde ich unfreiwillig wieder einmal Zeuge eines Beinahezusammenstoßes zwischen Radfahrer und Moped.

 

Ich bewegte mich auf den Zebrastreifen zu und sah von links einen Motorradfahrer kommen, der in einer Entfernung von ca. 30 Metern hörbar das Gas wegnahm, den Helm hin und her bewegte und dann wieder moderat Gas gab, da kein Fußgänger zu erkennen war. Ich war ja auch noch etwa fünf Meter von den Streifen entfernt, also keine Gefahr. Kurz bevor der Motorradfahrer den Überweg erreicht hatte, querte ein Radlfahrer den Zebrastreifen mit erheblicher Geschwindigkeit. Der junge Mann hatte Glück, dass der Motoradfahrer im letzten Moment noch eine Ausweichbewegung machte, sonst wären vermutlich beide gestürzt.
„Du Depp, kannst denn Du nicht aufpassen!“ schrie der Jugendliche aus seiner tief in Stirn gezogenen Kapuze und fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
Ich hob die Hand und wollte den jungen Mann stoppen und hörte, als er auf meiner Höhe war nur noch die Worte: „Noch so ein Arschloch!“ und sah seine schwarz behandschuhte rechte Hand mit dem, gegen das Licht der Straßenlaternen erkennbaren ausgestreckten Mittelfinger. Dann verschwand er im Dunkel der Wohnsiedlung.
Da der Motorradfahrer, vermutlich aus dem Schrecken heraus, hinter dem Zebrastreifen angehalten hatte, ging ich zu ihm hin. Er öffnete gerade sein Visier.
„Haben Sie das gesehen?“ fragte er mich, als ich neben ihm stand. „Gerade, dass ich noch einen Schatten wahrgenommen habe, sonst wäre es passiert gewesen.“ Trotz der mäßigen Beleuchtung sah ich sein bleiches Gesicht.
„Der war nicht nur dunkelschwarz gekleidet,“ konnte ich ihn beruhigen, „der hatte weder Beleuchtung, noch irgendeinen Reflektor am Rad. Den konnten Sie auf seinem schwarzen Trekkingrad gar nicht erkennen.“
„Ja, aber wenn es passiert wäre, wäre ich wieder der Depp mit der Arschkarte gewesen!“ Resignation war aus seiner Stimme zu hören.
„Nein,“ versuchte ich ihn zu beruhigen, „diesmal nicht! Ich hätte bezeugen können, dass er für Sie quasi unsichtbar war. Die Schuld lag ausschließlich bei ihm. Denn er hätte das Rad ja auch über den Überweg schieben müssen.“
Der Motorradfahrer atmete nochmal tief durch, schloss seinen Helm, winkte mir nochmal zu und legte den Gang ein. Im Hinterherwinken sinnierte ich noch: Und dann wundern sich manche, wenn wieder ein Radler übergemangelt wurde. Ich nicht mehr!