Gurtpflicht für Fahrerlaubnisprüfer

In den Texten in meinem Buch über die Führerschein Prüfungen und Busausbildung Klasse D habe ich detailliert beschrieben, dass ein Fahrlehrer und Prüfer niemals ohne Gurt fahren darf, weil sie der Gesetzesgeber im öffentlichen Straßenverkehr als Vorbild in Auftreten und Handeln darstellt. Man kann diese Forderung im Hinweis zu StVO § 21a Sicherheitsgurt, iVm Ausnahmen zur Anschnallpflicht § 46 nachlesen.

Dazu hatte ich folgendes bemerkenswertes Erlebnis:

Gerade befand ich mich mit meinem Moped auf der Heimfahrt und war kurz vor zu Hause, als ich auf dem Abstellplatz einer mir bekannten Fahrschule hektische Betriebsamkeit erkannte. Das konnte nur bedeuten, dass dort eine Prüfung stattfand. Da mir ja die meisten Prüfer noch bekannt sind und ich zu den meisten einen guten Draht hatte, fuhr ich kurz entschlossen mal hin. Vielleicht konnte ich ja gute Laune unter den Anwesenden verbreiten. Als ich anhielt, mein Moped abstellte und meinen Helm abnahm, wurde ich von den anwesenden, mir noch bekannten Fahrlehrern mit einem freudigen Lächeln und entsprechenden Kommentaren begrüßt. Als ich dann noch den Prüfer erkannte, konnte der guten Laune nichts mehr im Wege stehen, dachte ich, da er auch Franke war. Aber weit gefehlt.

"Hau mer bloß ab, Du Märchen Erzähler! Du erzählst an ganz schöna Blödsinn in deim Buch." So wurde ich von ihm begrüßt. Dann fummelte er an seiner Prüfermappe herum und zog einen schon sehr gebraucht aussehenden Zettel heraus und hielt ihn mir unter die Nase. "Do, lies selber, do steht`s drauf, dass ich auf Lebnszeit vom Anlegen des Sicherheitsgurts befreit bin und net, wie Du gschriem hast, dass die Befreiung scho zehn Jahr abglaufn ist. Also hau ab und lass mi in Ruh prüfn!"

Das war natürlich starker Tobak. Da regt sich jemand über eine meiner Geschichten auf, die ich in meinem Buch "Prüfung bestanden?" geschrieben habe. Uiuiui, hat er sich erkannt oder meint, sich erkannt zu haben. Das ist aber schön. Das dachte sich vermutlich auch der Fahrlehrer, weil er sehr amüsiert dreinschaute.

"Jetzt sag bloß, Du prüfst immer noch ohne Gurt?" stellte ich ihm die entscheidende Frage.

"Logisch, oder meinst Du, Dei Gschmarri von damols hab ich auf mir sitzn lassn. Ich hab ja schließli den Wisch vom Doktor do." Ich wollte gerade die vergilbte Kopie lesen, als er sie wieder in den Tiefen seiner Tasche verschwinden ließ. "Da damit is alles geklärt. Ich darf also ohne Gurt als Fahrer und als Beifahrer fahrn. Bloß, dass des wast!" Drehte sich um und wollte aufgeregt und mit rotem Kopf ins nächste Auto einsteigen.

"Moment mal! Du weißt scheinbar garnicht, dass Du als Prüfer niemals ohne Gurt fahren darfst. Das ist ein Auschlusskriterium. Und wenn Du darauf bestehst, kann das Deine Lizens kosten." Damit wollte ich ihn noch kurz von der nächsten Prüfung zurückhalten. "Du gefährdest bei einem Unfall nicht nur Dich, sondern auch den Fahrlehrer vor Dir. Das müsste Dir als Sachverständiger und Prüfer eigentlich klar sein. Du nimmst diese Gefährdung also wissentlich in Kauf? Da kann man ja fast an Deiner körperlichen und geistigen Eignung für Deinen Beruf zweifeln." Das war zu viel für ihn. Unter Gemurmel, das ich nicht wiederholen möchte, strebte er seinem Prüffahrzeug zu. Ich schaute den Fahrlehrer, dessen Prüfung gerade beendet war, fragend an. Aber der zuckte nur die Schulter und grinste verlegen dazu. Ich fragte ihn verständnislos: "Und Sie wissen das und lassen ihn hinter sich mitfahren? Haben Sie keine Angst, dass er Ihnen ins Kreuz fliegt, wenn ein Unfall passiert?"

"Aber wieso? Es scheint doch alles über den TÜV geklärt zu sein." bekam ich zur Antwort.

"Na schön, wenn Sie meinen und Ihnen die Gefahr nichts ausmacht. Aber was sagen Sie Ihrem Fahrschüler, wenn er durchgefallen ist, nur weil er vergessen hat, sich anzuschnallen? Die Argumentation dürfte schwer fallen, wenn der Prüfer ohne Gurt mitfahren darf." Er hob nur verlegen die Schultern. Mit zweifelndem Wiegen meines Kopfes wandte ich mich meinem Moped zu, vervollständigte meine Schutzausrüstung, schwang mich auf meine Maschine und dampfte ab. Ich konnte immer noch nicht glauben, was ich da gerade erlebt hatte. Auf der einen Seite empfand ich es als befriedigend, wenn ein Betroffener sich angegriffen fühlte, obwohl er nur indirekt gemeint war, auf der anderen Seite fühlte ich mich in meiner Meinung bestätigt, die ich mir damals während der Zusammenarbeit gebildet hatte. Mir war auch völlig schleierhaft, wie sich jemand auch noch in aller Öffentlichkeit damit brüstet, dass er sich nicht anschnallen braucht, dies aber von den anderen verlangt. Das wird noch ein klärendes Nachspiel haben. Zumindest waren schöne Bilder wieder einmal der Lohn für meinen Ausflug.

Auf dem kurzen Weg nach Hause legte ich mir schon mal die Argumentationsliste für das Schreiben an seinen Chef zurecht:

- Verstoß gegen die Hinweise der obersten Landesbehörde

- Verstoß gegen das Sachverständigen Gesetz

- Zweifel an der charakterlichen Eignung des Prüfers

- Zweifel an der Beurteilung durch den Amtsarzt

- Klärung des Sachverhaltes in Zusammenarbeit mit der vorgesetzten Erlaubnisbehörde

- Ausnahmegenehmigung von der Ausnahme durch die Aufsichtsbehörde

- schriftliche Bestätigung der Ausnahme von der Gurtpflicht (hoffentlich nicht!)

- oder Auflage, sich zumindest mit dem Beckengurt anzuschnallen

- wenn auch das nicht geht, weil sein Gesundheitszustand es nicht zulässt, ruhen der Zulassung

 

Ich bin schon gespannt, was ich als Antwort zurückbekomme, wenn überhaupt geantwortet wird.

Nach meiner Meinung kann es nicht angehen, dass ein Verantwortlicher offiziell genehmigt, dass gegen das Gesetz verstoßen werden darf, das er von anderen einfordert.

Genau darüber handelt mein Buch "Tod eines Fahrlehrers"