Wir schreiben den 21.05.2021. Der Corona Impfstoff ist endlich für alle verfügbar, heißt es. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Vor der Impfstation hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Seit 6 Uhr 30 stehen die ersten an.

Schwester Selma öffnet Punkt acht Uhr die Tür. Der erste Empfängerwillige stürmt herein.

„Na, na! So eilig?“, bremst sie den jungen Mann und stemmt ihm den ausgestreckten Arm auf die Brust. „Erst einmal setzen Sie Ihre Maske auf! Dann gehen Sie bitte zu meiner Kollegin. Die nimmt Ihre persönlichen Daten auf und überprüft die bedingte Notwendigkeit. Nehmen Sie bitte dort Platz, Sie werden aufgerufen.“

„Was soll denn das, Schwester!“ begehrt der Impfanwärter auf und will die Schwester beiseiteschieben. Da hat er aber die Rechnung ohne die Schwester gemacht. Nicht umsonst hat der diensthabende Arzt die resolute Selma an den Empfang gestellt.

„Maske auf! Dort hinsetzen! Aber Zack-zack!“ befiehlt sie in unmissverständlichem Ton.

Der Patient zuckt zusammen, sucht nach seiner Maske, setzt sie auf und schleicht zum zugewiesenen Platz.

Immer mehr Impfwillige drängen in den Warteraum, bis die zulässige Anzahl erreicht ist, dann wird der Zugang verwehrt.

„Der Erste bitte!“, ist aus dem Registrierungsraum zu vernehmen. Nummer eins springt auf und schlüpft in das Zimmer. „Bitte nehmen Sie Platz! Ihren Ausweis bitte!“

Er setzt sich, zieht den Ausweis aus seiner Jackentasche und reicht ihn Schwester Gisela. Ohne aufzusehen nimmt sie das Dokument in die linke Hand, um die Daten in den Computer einzugeben. Der Abgleich mit der Datenbank des Gesundheitsamtes erfolgt automatisch, nachdem sie Name und Vorname eingeben hatte. Kaum zwei Sekunden später blinkt der Name gelb hinterlegt auf. Im Infofeld erscheint der Hinweis: Achtung! Corona-Leugner! Amtsseitig bekannt! Impfung ablehnen!

„Ja, was seh´ ich denn da?“ Gisela stutzt nicht schlecht. Endlich klappt die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gesundheitsamt mal richtig. „Herr Imbler, ich muss Sie bitten, die Impfstation zu verlassen. Sie sind als Impfwürdiger von Amts wegen abgelehnt.“

„Hä, was ist los?“, begehrt der Angesprochene auf. „Sind Sie narrisch? Ich habe ein Recht auf die Impfung.“

„Moment, Herr Imbler.“ Erwidert Gisela ganz gelassen. „Nehmen Sie bitte draußen wieder Platz! Ich rufe Sie wieder auf, wenn ich das hier mit dem Amt geklärt habe. Kann aber etwas dauern, ich muss die Impferei erstmal zum Laufen bringen.“

„Ja, bin ich hier im falschen Film?“, schreit Imbler los. „Jetzt machen Sie die Spritze fertig und dann bin ich schon wieder weg.“

„Zum letzten Mal!“ Jetzt wird auch Gisela etwas lauter. „Raus hier!“

Ein junger Mann steckt den Kopf durch die Tür. „Kann ich helfen? Gibt´s Probleme?“

„Ja,“ Gisela ist wieder ganz ruhig. „Dieser Corona-Leugner will die Impfung erzwingen. Laut Amt darf ich das aber nicht.“

„So, so, ein Corona-Leugner!“ Der junge Mann kommt durch die Tür, ein kurzer Griff und Imbler wird fixiert durch die Tür hinaus geschoben.

„Ja, was erlauben Sie sich eigentlich.“ Imbler will sich dem geübten Griff entziehen. „Nehmen Sie Ihre dreckigen Finger von meinen Klamotten!“

„Ganz ruhig, Brauner!“ Der junge Mann lockert den Griff keinen Millimeter. „Mein Name ist Hofer, Kommissar Hofer vom Einsatzkommando. Sie kommen mir irgendwie bekannt vor! Sind Sie nicht der Anführer der Querdenker, der letzte Woche bei der nicht angemeldeten Demo über Megaphon die Anweisung gab, mich und meine Kollegen mit Steinen und Feuerwerkskörper aus dem Weg zu räumen?“

„Das kann gar nicht sein.“ Entgegnet Imbler doch etwas verunsichert. „Auf dem Marienplatz war ich nicht dabei.“

„Woher wissen Sie dann, dass es am Marienplatz war?“ Neugierig mustert PK Hofer den Abgeführten. „Da haben wir das mit der Identität auch geklärt.“

Der diensthabende Arzt erscheint im Flur. „Was soll denn der Lärm?“ Nach kurzem klärenden Blick geht er auf die beiden Männer zu. „Hallo, Herr Kommissar, da sind Sie endlich. Was ist mit dem Mann?“

Der Polizeibeamte antwortet: „Hallo, Herr Doktor. Hier wollte sich doch tatsächlich ein Corona-Leugner eine Spritze abholen.“ Dann drückt er den Mann auf einen freien Stuhl in der Mitte des Nebenraumes.

„Warum wollten Sie sich denn impfen lassen, wenn es für Sie kein Corona gibt?“ Neugierig warten alle Umstehenden auf die Antwort.

„Naja,“ zögerlich kommen die gemurmelten Worte aus dem gesenkten Haupt, „am Wochenende ist wieder eine Demo, da wollte ich auf der sicheren Seite sein. Denn einige meiner Mitstreiter hat´s schon erwischt.“

Kopfschüttelnd holt der Kommissar sein Handy heraus und ruft in der Dienststelle an, damit seine Kollegen den Aufwiegler abholen können. Gegen ihn laufen bereits Ermittlungen.

Langsam läuft die Impfung an und die Abläufe spielen sich ein. Der Arzt geht mit einem Grinsen und den folgenden Worten auf Hofer zu: „Herr Kommissar, kommen Sie herein! Sie sind der letzte Ihrer Truppe, dem die Impfung noch gefehlt hat. Zum Glück haben sich die Ämter dazu durchgerungen, die Freiheit der Corona-Gegner zu akzeptieren, dass sie keine Impfung brauchen. Sie haben ja öffentlich bekannt, dass es keine Corona-Viren gibt, also brauchen sie auch keine Impfung.“ Und auf dem Weg ins Arztzimmer kommt dann noch von ihm: „Und nochmals vielen Dank für Ihre ordnende Hand gerade eben.“

 

(Anmerkung der Redaktion: So wäre es wünschenswert, stünden die Menschenrechte nicht dagegen)