Meine neue Freundin hat heute Geburtstag. Ich will ihr einen großen Strauß Blumen schenken, und zwar die schönsten aus meinem eigenen Garten. Viele Jahre habe ich ihn gepflegt und gehegt, das Unkraut gejätet, die Schädlinge entfernt, logisch biologisch natürlich. So kann ich nun die Früchte meiner Arbeit ernten. Das Ganze habe ich meinem Psychiater zu verdanken. Naja, verdanken wäre jetzt zu viel der Ehre für diesen Raffzahn, der mit den Macken anderer sein Geld verdient. Aber er meinte, nach meiner Scheidung und der Depression, in die ich gefallen war, ich solle es mit Blumen versuchen. Wenn ich Probleme hätte, kann ich sie ihm oder den Blumen erzählen. Das beruhige, denn Pflanzen sind gute Zuhörer. Wenn allerdings eine antwortet, fügte er scherzhaft hinzu, solle ich mich sofort wieder bei ihm melden.
So suche ich nun die schönsten Stängel mit Blüten aus, gehe von Strauch zu Strauch und schneide mal hier, mal da eine ab. Der Strauß kann sich mittlerweile sehen lassen, schön bunt und üppig. Vor einer herrlichen roten Rose bleibe ich stehen, betrachte sie und überlege mir, soll ich, oder soll ich nicht. Beherzt nehme ich meine Schere und setze an. Plötzlich höre ich: „Nein, nicht abschneiden! Ich bin die Königin der Rosen! Wenn du mich am Leben lässt, darfst du dir etwas wünschen!“ Ich gucke mich dezent um. Vorsicht, Kamera! Schießt mir durch den Kopf. Aber niemand ist zu sehen.
Scheiße, denke ich, jetzt ist es soweit. Die Nummer des Psycho-Onkels habe ich im Kopf, habe sie ja schließlich oft genug gewählt.
„Nein, du bist nicht plemplem!“ höre ich die feine Stimme wieder. „Ich bin es, Elvira, die Rosenkönigin, direkt vor dir!“
Argwöhnisch schaue ich die Blüte mit zusammengekniffenen Augen an. „Sprichst DU mit mir?“
„Ja, du bist einer der Auserwählten,“ die Stimme war klar und deutlich, „den ich einen Wunsch erfüllen darf, weil du mich so herrlich gepflegt und zur Blüte gebracht hast.“
„Das ist ja wie im Märchen. Ich darf mir alles wünschen und der Wunsch geht auch wirklich in Erfüllung?“
„Natürlich, selbstverständlich darf dadurch kein anderes Lebewesen moralisch oder körperlich in Mitleidenschaft gezogen werden.“
„Ja, ja, schon klar!“ Das ist mir auch so bewusst, aber was soll man sich da wünschen. Die drei Klassiker?
Geld? Habe ich genug.
Ewige Jugend? Nö, lieber nicht. Das wird einem irgendwann überdrüssig, vor allem, wenn die Freunde immer älter werden und dann wegsterben und du das ganze Drama jedes Mal miterleben musst.
Gesundheit? Da kann ich selbst drauf aufpassen, der Wunsch wäre vertan.
Vielleicht ewige Liebe, das wäre neu? Naja, da hatte ich auch schon mal gedacht, es wäre soweit. Aber da wurde ich bereits eines Besseren belehrt.
Mir fällt momentan einfach nichts Gescheites ein. „Kann ich mir das noch etwas überlegen?“
„Aber ja!“ Wird mir geantwortet. „Du hast Zeit, bis ich verwelke!“
Is´ ja toll, denke ich, so eine Rose blüht ja schließlich eine ganze Woche lang. Und bis dahin werde ich schon was gefunden haben. Also schneide ich keine weitere Rose mehr ab, der Strauß schaut auch so ganz toll aus, getreu dem alten Motto: Schenke Rosen zum Kosen und Narzissen zum Küssen. Zum Abschluss binde ich statt Gummi von meiner Ackerwinde einige Wicklungen um die Stängel und verteile noch einige der zarten Blüten über den Strauß. Dann mache mich auf den Weg zum Geburtstagskind.
Die Feier läuft gut, alle sind gut drauf und mein Strauß hat entsprechenden Eindruck gemacht. Einige der Eingeladenen grinsen irgendwie amüsiert und das Geburtstagskind nimmt leicht errötend die Blumen entgegen. Von den Umständen erzähle ich vorsichtshalber nichts, da entsprechende Geschichten bekannterweise immer schlecht ausgegangen sind, wenn man Mysteriöses ausgeplaudert hat. Nach der Feier helfe ich meiner designierten Lebensabschnittsgefährtin noch, die Spuren so weit wie nötig zu beseitigen. Es ist mittlerweile weit nach Mitternacht, als ich mich verabschieden will. Doch was ist das, sie schmiegt sich derart zärtlich an mich und säuselt mir so liebe Sachen ins Ohr, dass es mir sehr schwerfällt, zu gehen. Das ist vermutlich auch so von ihr geplant. Also ergebe ich mich in mein Schicksal. Nach dieser ersten gemeinsamen Nacht erwachen wir nebeneinander, eng umschlungen und selig. Ich gestehe ihr, dass ich sie so sehr liebe und dies die wahrscheinlich schönste Nacht seit Jahren war. Das hätte ich vielleicht nicht so deutlich sagen sollen, denn dadurch verzögert sich das Aufstehen um eine weitere Stunde. Nach der gemeinsamen Dusche und dem Frühstück muss ich trotzdem wieder los und werde aber erst aus der Umarmung entlassen, nachdem ich verspochen habe, nach der Arbeit wiederzukommen. Das Versprechen fällt mir aber sowas von überhaupt nicht schwer. Zufrieden mit mir und der Welt erledige ich meine Arbeit und schaue danach schnell noch in meinem Garten vorbei, denn ich habe ja noch eine Verabredung mit einer Königin.
Als ich den Rosenstock erreiche, erschrecke ich dermaßen, dass ich wie angewurzelt davor stehenbleibe. Die wunderschöne große rote Blüte war durch den nächtlichen Gewitterguss zerstört. Aus ist es mit dem Wunsch, der mir auf dem Heimweg eingefallen war: Zufriedenheit! Und wie ich noch so nachdenke und mich ärgere, dass ich zu lange gezögert hatte, höre ich leise an meinem Ohr: „Aufstehen, du Langschläfer!“ und erhalte einen langen sinnigen Kuss.
Wie, was, war das alles nur ein Traum. Aber ich bin auch so momentan ganz zufrieden, mit dem, was ich im Arm halte. Der Wunsch ist scheinbar vor dem Welkwerden bei meiner Rosenkönigin angekommen.
Und bevor ich noch etwas sagen kann, kommt lächelnd die Frage aus ihrem wunderschönen Mund, die Augen leicht niedergeschlagen und die Wangen zart errötet: „Sag mal, war das mit den Wicken um den herrlichen Strauß eigentlich Absicht?"